Egerland

Land, Leute und Kultur

Egerländer Fachwerk

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Im Egerland entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte ein eigener, sehr charakteristischer Fachwerkstil.
Die beiden ältesten Fachwerkbauten im Egerland sind auf einem Holzschnitt der Stadt Eger dokumentiert: die Obergeschosse der Kaiserpfalz Eger, die ab 1475 auf romanische Steingeschosse aufgesetzt wurden, sowie das sog. „Kuchlhaus“ (in dem 1634 Wallensteins Offiziere ermordet wurden). Das bis heute älteste erhaltene Fachwerk befindet sich im sog. „Stöckl„, dem bekannten Häuserkomplex am Egerer Marktplatz, erbaut ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Im städtischen Bereich waren früh durch feuerpolizeiliche Verordnungen Holz und Stroh als Baumaterialien verboten.

Auf dem Land gab es Fachwerkhäuser ab dem Ende des 16. Jahrhunderts, zunächst noch in einfacher Form. Das typische Egerländische Fachwerk entwickelte sich ab dem Ende des 17. Jahrhunderts. Mit wachsendem Wohlstand und zunehmendem Standesbewusstsein der Egerländer Bauern wurde das Fachwerk mehr und mehr zu einem kennzeichnenden Schmuckelement.
Zierfachwerk und „schöne Giebel“ fanden sich zunächst an den großen Vierseithöfen und wurden später auch von kleineren Höfen und Häusern übernommen. Das Erdgeschoss der Gebäude war in Blockbauweise errichtet, oder es war gemauert. Typisch für das Egerland ist das Fachwerk (erst) ab dem ersten Stock. Wobei der Unterbau (Umschrot, „Kranz“) des Egerländer Fachwerks typischerweise in Blockbauweise gestaltet ist – auch wenn das Erdgeschoss aus Stein gebaut ist. Dies unterscheidet das Egerländer Fachwerk z.B. von dem Fachwerk in Franken, mit dem es prinzipiell verwandt ist.
Die sichtbaren Balken eines Fachwerkhauses haben zweierlei Funktion: ein Teil hat statische Funktionen – sie bilden z.B. den Dachstuhl und tragen das Dach. Unterschiedliche Konstruktionen ergeben dabei unterschiedliche Grund-Muster. Diese können u.a. die Anordnung und Größe von Fenstern bestimmen. Zusätzlich finden sich in einem Fachwerkbau weitere Balken als Schmuckelemente, welche keine tragende Funktion haben, sondern aus rein dekorativen Gründen eingebaut werden. Dies ist im Egerland bereits für das Jahr 1699 datiert: im Firstdreieck -oberhalb des Kehlbalkens, der die Dachsparren verbindet und stabilisiert – findet sich ein durchkreuztes Quadrat mit stehender Raute (Giebel des Schupfens im ehemaligen Wirtschaftshof des Schlosses Oberkunreuth [nach 1945 zerstört]).
Diese besonders enge Rautenmusterung ist eins der typischen Kennzeichen des Fachwerks im Egerland. Eine weitere Besonderheit ist die Anordnung der Balken im Giebel in Form schräg nach oben auseinanderdriftender „Strahlen„. Dieses Muster erinnert etwas an die „Sonnentore“, die typischerweise die Eingänge zu den Egerländrischen Bauernhöfen kennzeichnen.
In den Giebeln der Fachwerkhäusern waren häufig Nischen angebracht für Heiligenfiguren. Solche fanden sich auch häufig über den Sonnentoren, also über dem Hofeingang. Inwieweit die Anordnungen des Fachwerks eine bestimmte Symbolik beinhalten, wird unter Fachleuten offenbar unterschiedlich beurteilt. Beispiele für mögliche Interpretationen finden sich unten („Das Egerländer Fachwerk und seine Zeichen“).

Die Dächer der Egerländrischen Fachwerkhäuser waren zumeist symmetrische, mittelsteile Satteldächer, sie bestimmten das Bild der Dörfer im Egerland. Eine besondere Dachform im Egerland, die sich sonst nur noch in benachbarten Regionen findet, ist das Frackdach: asymmetrisch reicht es auf der hofabgekehrten Seite bis zum Erdgeschoss herab, zum Hof hin ist es verkürzt, sodass dort ein halbes Stockwerk entsteht und somit ein eineinhalbstöckiges Haus.

Egerländer Fachwerkhäuser sind heute noch an manchen Orten erhalten, eine große Anzahl wurde leider nach 1945 zerstört.
Die größte, mir bekannte Ansammlung findet sich heute in Konradsgrün (Salajna). Aber auch in vielen anderen Orten sind noch solche Schmuckstücke der Kultur der Egerländer erhalten, Beispiele sind Unterlosau (Dolni Lazany), Miltigau (Milikov), Zeidlweid (Brtna) oder gleich mehrere Bauernhöfe in Neualbenreuth.  Taubrath (Doubrava) wird manchmal als „Freilichtmuseum“ dargestellt; leider erfährt man erst nach Bezahlen des Eintritts, dass das gesamte Wohnhaus überhaupt nicht besichtigt werden kann, da es bewohnt ist. (Die aktuellen Bewohner bzw. Besitzer sprechen nach eigener Aussage kein Deutsch, das Interesse an echter Kenntnis der Kultur der Erbauer dieser Häuser oder an „Völkerverständigung“ scheint insofern begrenzt zu sein; hoffentlich steht hier nicht nur der Kommerz im Vordergrund).

Wenn man durch die Orte des historischen Egerlandes und der angrenzenden Gebiete fährt, ist es immer wieder schön, eines der  typischen Egerländer Fachwerkhäuser zu entdecken – mit den oben beschriebenen Gemeinsamkeiten, aber auch vielen individuellen Details. Ein paar Beispiele sind in den Bildern dargestellt.

Literatur / Quellen:
Buch:
Eger und das Egerland – Volkskunst und Brauchtum, Hrsg. L. Schreiner, Verlag Langen Müller, ISBN: 3-7844-2178-4

Internet:
Egerländer Fachwerk in Neualbenreuth
Das Egerländer Fachwerk und seine Zeichen (Anmerkung: zwischenzeitlich ist eine direkte Verknüpfung auf  diese Internetseite nicht mehr möglich: nun auf “www.neualbenreuth.de” oben “Tourismus” wählen, dann links “Sehenswertes”, dort dann “Das Egerländer Fachwerk und seine Zeichen”; Stand 24.05.14)
Egerländer Fachwerkhaus „Päitahansnhof“ in Zeidlweid (Brtna)

Egerländer Fachwerk in Bayern
Wikipedia: Egerländer Fachwerkhaus

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